Durch einen engeheuren Enthusiasmus, den der Umbruch des alten Systems
mit sich brachte, konnte enorme Energien dadurch freigesetzt werden,
dass die neue Bewegung einen Zusammenhalt schaffte, die Berge zu
versetzen schien. Diese neue Kraft, welche sich an die alte Grösse zu
knüpfen moglich machte, gab auch den niedersten Bauern das Gefühl, etwas
Wichtiges am Rad der Geschichte zu sein. Das was bisher nutzlos brach
lag, wurde auf einmal die Bedeutung seiner Stimme bewusst. Durch
Zusammenschluss sind sie ihrer ungehere Macht bewusst geworden. Diese
Macht war keine schöpferische, sondern nur auf purer Muskelkraft
basierende Macht, als ob ein grosser Fels den Hang runter rollt und wer
sich ihm in den Weg stellt, mitgerissen wird.
Die neuen
Veränderungen verstärkten das Gefühl der Allmacht. Nichts kann schöner
für einen ohnmächtigen Mann sein, als das man ihn an der Macht laben
lässt. Obwohl auch er geführt wurde, liess er sich freiwillig für eine
"gute" Sache vor den Ochsenkarren spannen. Auch er wurde geführt, da er
jedoch an der vorderste Front war, bekam er das Gefühl, selber zu
führen. Die die den Weg bestimmten, haben das Spiel Zuckerbrot und
Peitsche richtig verstanden. Schmiert man Honig ums Maul, so lässt sich
der Karren überallhin führen ohne Murren. Man konnte dem Karren
ungeheuer viel Lasst aufladen, ohne dass er darunter brach, denn "Du
bist wichtig" liess jeden Kummer heilen.
Wichtig, aber wofür?
Niemand stellte sich jedoch die Frage, was er wirklich in dem Schauspiel
für eine Rolle spielte. Natürlich ist man wichtig, aber doch nicht so
wichtig, dass man sich obwohl ein Zwerg doch für einen Riesen zu halten
braucht. Was hat man schon geleistet, als dass man ein Raedchen in der
ungeheuren Maschienerie der Gesellschaft war. Man hat sich freiwillig
geopfert. Und der Glaube hat dem Opfern besonderen Stellenwert gegeben,
ob man sich dem Dienste eines allmächtigen Gottes aufopferte, oder einer
mächtigen Person, spielte dabei keine Rolle, Hauptsache war, man
opferte sich für einen guten Zweck. So leistet der Glaube dem nutzlosen
Dasein eine Würde. Von aussen betrachtet, hat sich faktisch nichts
geändert, ausser dass sich gewisse Leute ihre verloren geglaubte Würde
wieder bewusst wurden.
Was ist eigentlich Würde? Kann sich
Würde mit der der Rolle des Aufopferns vereinen oder ist das wieder eine
andere Form des Würdeverlustes? Ich denke eher das Zweite. Man hat nur
die Etikette gewechselt, das war also nur ein Etikettenschwindel. Aussen
kommt man sich ungeheuer gross vor, innen ist man immer noch der
gleiche Zwerg. Würde erlangt man durch ein selbstbestimmtes Leben. Würde
will erarbeitet werden, sie will dass die Werte auch das sind, was man
sich erarbeitet hat. Sie will die innere Freiheit zum Leben erwecken,
sie will ihre Grenzen erforschen, damit das Bild, das er über sich hat,
wahrer wird. Er begreift sich als im Werdeprosess begriffener Spezies,
dem die Zukunft offen steht, und deren Gestaltung von ihm Opfer
verlangt. Das ist kein geschauspieltes Opfern, sondern ein Opfern im
Geiste des sich seines Zustandes Erhoehenwollens. Dieser Mensch möchte
sich auf Gipfeln emporheben. Er möchte auf keinen Fall in der Masse
untergehen, er möchte frei seinen Weg selbst bestimmen. Er möchte nicht
auf anderer Leistung stoltz sein, sondern nur auf die eigene Leistung.
Er möchte das Wachsen seines Zustandes aufmerksam mitverfolgen. Der
Prozess des Wachsens ist ihm wichtig, nicht das Ziel. Er hat kein
besonderes Ziel als dass er voranschreiten will im Vertrauen darauf,
dass sich alles zum Besten wenden wird. Er ist das Produkt seines
Schaffenwollens, das Kunstwerk, das er schafft, ist er selbst. Er möchte
Künstler seines Lebens werden, nichts ist ihm wichtiger als das.
Deshalb kommen ihm jede Begrenzung als etwas, das ihm vom Leben abhält.